Genehmigungsverfahren für Netzausbauvorhaben dauern in Deutschland zwischen 5 und 14 Jahren – also eindeutig zu lange für die Geschwindigkeit, die das Erreichen der Klimaziele erfordert. Die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensprozesse brauchen deshalb eine grundlegende Evaluierung. Im Folgenden sind konkrete Maßnahmen genannt, die zu einer Beschleunigung der Genehmigungen beitragen können.
Digitalisierung von Genehmigungsverfahren vorantreiben
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Genehmigungsverfahren müssen dahingehend angepasst werden, dass eine digitalisierte Bekanntgabe, Auslegung und Einsichtnahme unter Einhaltung der geltenden Fristen möglich wird. Dafür sind die gesetzlichen Regularien für das Genehmigungsverfahren im Krisenfall dringend neu zu regeln. Wir befürworten eine digitale Etablierung der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung im § 25 Absatz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Dies soll eine digitalisierte Offenlegung – unter Wahrung der Vertraulichkeit, d. h. Kennzeichnung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – von Antrags-, Planungs- und Genehmigungsunterlagen sowie von Planfeststellungsbeschlüssen für Bürger*innen auf speziellen Online-Plattformen ermöglichen. Die gleichen Rahmenbedingungen sollten auch für die öffentliche Auslegung, Einsichtnahme in alle Unterlagen sowie die Möglichkeit von Einwendungen gelten. Eine derartige digitalisierte Auslegung führt tendenziell zu einer Stärkung des Beteiligungsrechts und zu mehr Gleichbehandlung, da sie zeitgleiche Einsichtnahmen und unkomplizierte Zugänge auch über geografische Distanzen hinweg, ermöglicht. Dies könnte mit telefonischen Sprechstunden der Behörden und eigens aufgestellten Rechnerzugängen flankiert werden. Hierfür müssen Genehmigungsbehörden mit der notwendigen IT-Infrastruktur (inklusive der Hard- und Software) ausgestattet sein. Falls dies nicht der Fall ist, sollte zusätzliches Budget für die Anschaffung bereitgestellt werden.
Reduzierung der Prüftiefe bei der Bundesfachplanung
Im Bereich der Bundesfachplanung regen wir eine effizientere Gestaltung der mehrstufigen Planungsverfahren an. Die Bundesfachplanung hat sich als Instrument grundsätzlich bewährt, harmoniert aber nicht immer optimal mit den Planfeststellungsverfahren. Wir fordern daher, die Prüftiefe in der Bundesfachplanung besonders dort zu reduzieren, wo in der zeitlich späteren Planfeststellung ausführliche Prüfungen vorgesehen sind, um Doppelarbeiten zu vermeiden. Ein Beispiel dafür sind ausführliche und zeitintensive Umweltprüfungen innerhalb der Bundesfachplanung, die in der Planfeststellung derzeit wiederholt erstellt und geprüft werden müssen.
Verstärkte Anwendung der verkürzten Anzeige
Statt langwieriger Planfeststellungsverfahren eignet sich in vielen Fällen eine verkürzte Anzeige. Dies setzt u. a. voraus, dass Kriterien eindeutiger gestaltet werden und dadurch schneller zu erreichen sind. Die Ergänzung folgender Punkte im Kriterienkatalog würde die Verfahren beschleunigen:
- Ein Wegfall einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei lediglich der Erhöhung oder dem Tausch von 20 Prozent der Masten einer Leitung (in konfliktarmen Regionen und in Abstimmung mit der Behörde gegebenenfalls bis zu 50 % der Masten).
- Eine Anpassung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) mit der Klarstellung, dass deren Vorgaben nur zu prüfen sind bei Änderungen an den technischen Assets, die keine Verbesserung der Lärmwerte bezogen auf die Bestandssituation erwarten lassen.
- Ergänzung der gesetzlich bereits geregelten Monatsfrist für die Entscheidung um eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf der Frist. Dies sollte mit der Möglichkeit für die Planfeststellungsbehörde verbunden werden, binnen dieser Zeit vom Vorhabenträger konkrete Anpassungen des Antrags zu verlangen.
Ergänzend fordern wir eine Beschränkung der Einspruchsfristen gegen Entscheidungen zum Entfall von Planfeststellungsverfahren (§ 25 Netzausbaubeschleunigungsgesetz, NABEG) auf vier Wochen nach Bekanntgabe, sofern die Klägerin im eigentlichen Verfahren zur Stellungnahme aufgefordert wurde.
Planfeststellung ohne Bundesfachplanung (z.B. bei Bestandstrassen und -korridoren)
Derzeit entfällt das zeitlich und planerisch sehr aufwendige Bundesfachplanungsverfahren lediglich bei gesondert mit „G“ gekennzeichneten BBPlG-Vorhaben oder nach Durchführung eines Bundesfachplanungsverzichtsverfahrens. Der Entfall der Bundesfachplanung sollte stattdessen bei Ersatzneubauten, die im Ergebnis regelmäßig zu einem Großteil innerhalb der Bestandstrasse verlaufen, die Regel werden. Die raumordnungsspezifischen Anforderungen könnten dann – wie auf Landesebene häufig der Fall – im Planfeststellungsverfahren mitgeprüft werden.
Einführung einer Genehmigungsfiktion
Wir schlagen vor, in § 43f Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und § 25 NABEG eine Genehmigungsfiktion für den Fall aufzunehmen, dass eine im Gesetz aufzunehmende Entscheidungsfrist ohne behördliche Reaktion abläuft. Bei Untätigkeit der Behörde wird eine entsprechende Genehmigung als erteilt angenommen. Diese bereits aus anderen Rechtsgebieten bekannte verfahrensrechtliche Möglichkeit erleichtert und beschleunigt insbesondere die Umsetzung von Maßnahmen, die der kurzfristigen optimierten Nutzung des Bestandsnetzes dienen (sogenanntes NOVA-Prinzip).
Vorzeitigen Beginn verbessern
Durch die Zulassung des sogenannten vorzeitigen Beginns (§ 8a Bundesimmissionsschutzgesetz, BImSchG) können Anlagenbau und Genehmigungen parallel laufen. Allerdings ist dieses Verfahren noch mit rechtlichen Unsicherheiten – etwa in der Frage der Reversibilität, der Pflichten zu einem vorherigen Erörterungstermin, zur Umweltverträglichkeitsprüfung etc. – für die Vorhabenträger behaftet. Deshalb sollte dieses Instrument durch Vollzugsvorschriften standardisiert werden.
Erreichte Planungsleitungen sichern
Damit erreichte Planungsleistungen nicht durch rechtliche Änderungen wieder infrage gestellt werden, sollten folgende Möglichkeiten ernsthaft in Erwägung gezogen werden: Stichtagsregelungen als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, die Wiedereinführung von Präklusionsregelungen oder auch die Einführung von gesetzlichen Vermutungen der Vollständigkeit und Richtigkeit der Unterlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dies gilt sowohl im Bereich des Netzausbaus wie auch im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien.
Rechtssicherheit für die Höherauslastung des Bestandsnetzes herstellen
Wo immer möglich und notwendig, sind Übertragungsnetze so zu optimieren, dass statt der bisherigen 3.600 Ampere zukünftig Strom mit bis zu 4.000 Ampere durchgeleitet werden kann. Das heißt, die Netze sind so zu ertüchtigen, dass mehr Strom als bisher durch das Übertragungsnetz transportiert wird. Grundvoraussetzung für diese Höherauslastung ist das Instrument des „witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs“ (WAFB). Beim WAFB wird abhängig von den jeweiligen Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur) der übertragbare Strom ermittelt. Das heißt, dass z. B. bei kühler Witterung (mit entsprechend besserer Kühlung des Leiterseiles) entsprechend mehr Strom übertragen werden kann. Für den Einsatz des WAFB bedarf es allerdings einer gesetzlichen Klarstellung, um eine unbürokratische und schnelle Änderung der Betriebsgenehmigung zu erwirken. Daher fordern wir eine Änderung des NABEG, um durch ein vereinfachtes Anzeigeverfahren WAFB zu ermöglichen.
Unterlagenkatalog definieren
Die Vorhabenträger und Behörden sollten in einer Antragskonferenz einen Unterlagenkatalog verbindlich festlegen können. Nachforderungen sollten nur in begründeten Fällen nach Eröffnung des Verfahrens einmal mit einem klar formulierten abschließenden Nachforderungskatalog zugelassen werden. Dies gilt sowohl im Bereich des Netzausbaus wie auch im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien.
Wahlmöglichkeit bei der Genehmigung einer Leitungsanbindung von Umspannwerken schaffen
Die Integration einer Umspannwerks-Genehmigung in das Planfeststellungsverfahren für die Leitungsanbindung ist bereits rechtlich möglich, zusätzlich sollte eine Wahlmöglichkeit geschaffen werden, diese auch vice versa im BImSchG-Genehmigungsverfahren mit beantragen zu können. BImSchG-Genehmigungen für Umspannwerke sollten von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sein (Ergänzung des § 63 BImSchG). Wir fordern daher, die Integration der Genehmigung einer Leitungsanbindung in einer BImSchG-Genehmigung für Umspannwerke zu ermöglichen und die sofortige Vollziehbarkeit per Gesetz herzustellen.
Rechtssicherheit für die Höherauslastung des Bestandsnetzes herstellen
Wo immer möglich und notwendig, sind Übertragungsnetze so zu optimieren, dass statt der bisherigen 3.600 Ampere zukünftig Strom mit bis zu 4.000 Ampere durchgeleitet werden kann. Das heißt, die Netze sind so zu ertüchtigen, dass mehr Strom als bisher durch das Übertragungsnetz transportiert wird. Grundvoraussetzung für diese Höherauslastung ist das Instrument des „witterungsabhängigen Freileitungsbetriebs“ (WAFB). Beim WAFB wird abhängig von den jeweiligen Umgebungsbedingungen (z. B. Temperatur) der übertragbare Strom ermittelt. Das heißt, dass z. B. bei kühler Witterung (mit entsprechend besserer Kühlung des Leiterseiles) entsprechend mehr Strom übertragen werden kann. Für den Einsatz des WAFB bedarf es allerdings einer gesetzlichen Klarstellung, um eine unbürokratische und schnelle Änderung der Betriebsgenehmigung zu erwirken. Daher fordern wir eine Änderung des NABEG, um durch ein vereinfachtes Anzeigeverfahren WAFB zu ermöglichen.
Bündelungsprinzip als Grundsatz gesetzlich klarstellen
Deutschland benötigt in den Bereichen Energie, Verkehr und Telekommunikation eine zukunftsfähige Infrastruktur. Es ist an der Zeit, das sogenannte Bündelungsprinzip stärker als Grundlage für die gesamte Infrastrukturplanung heranzuziehen. Das heißt, bestehende Korridore anderer Infrastrukturen wie z. B. die des Schienennetzes sollten dafür genutzt werden, um im gleichen Korridor Freileitungen direkt mit zu planen. Das verringert sowohl den Planungsaufwand als auch die Umweltbelastungen erheblich. Daher fordern wir die Überarbeitung des NABEG hinsichtlich des Bündelungsprinzips und eine Klarstellung, dass die Nutzung vorhandener Trassen diesem Prinzip gleichgestellt ist.
Ansiedlung von privatem Wohnraum in Gewerbegebieten darf Netzausbau nicht behindern
Auch Gesetzesänderungen, die nicht in den Bereich der Energiepolitik fallen, haben teilweise gravierenden Einfluss auf die Genehmigungsverfahren. Beispielhaft zu nennen ist u.a. die Ansiedlung von privatem Wohnraum in Gewerbegebieten, die dazu führen, dass die dafür nötige Genehmigung für die Ertüchtigung oder Höherauslastung der nahegelegenen Stromnetze erschwert wird, da neue Richtwerte beim Lärmschutz eingehalten werden müssen. Daher fordern wir eine grundlegende Evaluierung der Genehmigungsverfahren auch im Hinblick auf gesetzliche Änderungen, die den Netzausbau behindern sowie eine darauffolgende zügige Anpassung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) sowie Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG).